Page 15 - Daniel Grolle: Tai Chi Spielen
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Das Glück beim Üben: Übe im Balance: Die Balance ist in allen Berührung und Druck: Du möch- Euch verstehen: Ein wichtiger Teil
fruchtbaren Bereich. Ist die Übung Übungen, die im aufrechten Stand test mit deiner Berührung möglichst des Taijiquan ist das Gespür, das ihr
zu leicht, ist sie langweilig, die Auf- ausgeführt werden, ein Thema für viel vom anderen erspüren und du für einander entwickelt. Gebt euch
merksamkeit schwindet. Ist die sich und sollte nicht unnötig mit der möchtest ihn möglichst viel spüren gegenseitig Feed-back. Ist die Berüh-
Übung zu schwer, entmutigt sie, du eigentlichen Übung vermischt wer- lassen. Bringe also deine Hände rung angenehm, berührst du mich
gibst auf. den. Deswegen berühren wir bei immer sanft und spürend in Kon- an der richtigen Stelle, findest du
Mit den Jahren habe ich eine Er- vielen Übungen erst einmal mit takt, wie beim Streicheln. Lass dich den richtigen Ort in mir, achtest du
folgs-Garantie für mein Üben ent- einem Handrücken die Wand. Auf in deinem Druck und in der Bewe- meine Grenzen? Bist du zu scheu
wickelt. Inzwischen kann ich in diese Weise ist es nicht mehr gung von dem leiten, was du spürst oder zu forsch? Sag Bescheid, wenn
etwa abschätzen, wie weit ich noch schwierig die Balance zu halten. und nicht von dem, was du weißt. dir etwas unangenehm ist, zeig aber
von einem Übungsziel entfernt bin. Den Handrücken nehmen wir des- Der Andere ist dir ein Spiegel deiner auch deutlich, was dir angenehm
Strebe ich ein Ziel an, das für mich halb, weil die Handfläche mehr Selbst. Dich zu spüren ist schwer, ist. Je besser ihr euch versteht, um
noch in unerreichbarer Ferne liegt, dazu einlädt sich richtig an die weil jeder Mensch für sich selbst be- so weniger Worte werdet ihr dazu
erschöpfe ich mich nicht mehr am Wand zu lehnen und dabei die triebsblind ist. So aber wie du den brauchen.
Unmöglichen, sondern suche mir Schultern zu verspannen. anderen zu spüren lernst, lernst du Du kannst den anderen spüren. Du
ein leichteres Ziel, was aber auf dem Bist du mit der Übung sicher genug, schließlich auch dich selbst zu spü- kannst aber auch spüren, wie der
richtigen Weg liegt. Auf diese Weise kannst du sie im freien Stand aus- ren. Du lernst sicher zu werden was andere sich selbst spürt und wie er
spüre ich bei meinem Üben einen führen oder sogar mit geschlossenen dir gut tut und was zuviel ist, wel- dich spürt. Und du kannst spüren,
beständigen Fortschritt. Ich bin mit Augen oder auf einem Bein. Es gibt ches Tempo du brauchst, um zu wie der andere dein Spüren spürt.
meinem Üben da, wo sich mein immer individuelle Möglichkeiten, spüren was passiert. Du lernst den
Körper für mich öffnet und das ist das Üben deinen Lernmöglichkeiten Umgang mit den Grenzen in dir.
immer aufs Neue überraschend, anzupassen. Die verschiedenen Ebenen deiner
wunderbar und beglückend. Selbst erlernen einen ebenso auf-
Meine Schüler kennen schon die Wechsel: Wechselt in unsymmetri- merksamen Umgang miteinander,
Begeisterung von mir, wenn ich mal schen Übungen gleichberechtigt die wie du lernst mit dem Taiji-Partner
einen Aspekt entdecke, den ich ein- Seiten. Jeder hat eine Schokoladen- umzugehen. Die Begegnung deines
deutig nicht hinkriege. Für mich ist seite und wenn ihr nicht aufpasst, Fußes mit dem Boden, oder die Be-
das dann wie ein Weihnachtsge- übt ihr immer nur diese Seite und gegnung deines Atem mit deiner
schenk. Die Verpackung verbirgt verstärkt so ein Ungleichgewicht. Bauchmuskulatur ist eine Wieder-
knisternd den Inhalt, den ich aber Tauscht öfter die Rollen. Bei jedem holung deiner Begegnung mit mir in
schon ertasten kann. Ich weiß: Das Rollenwechsel lernst du mehr, wie den Taijiübungen.
Geschenk darinnen gehört jetzt es dem anderen jetzt ergeht. Du
schon mir, ich muss nur noch auf spürst in ihm jetzt das, was du
Weihnachten warten und es aus- zuvor noch in dir selbst gespürt
packen. hast.
Wechselt in angemessenen Abstän-
den den Partner. Mit einem anderen
Partner ist es eine andere Übung.
Mit jedem anderen Partner lernst
du auch dich selbst anders kennen.
Bedankt euch beim Abschied beiein-
ander. Unabhängig von eurem Taiji-
Niveau, hat jeder dem anderen ge-
geben und von ihm genommen.
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